Jesaja 2,2-4 ist eine überaus bekannte Bibelstelle. In meinem Unterricht zum Bibelbuch Jesaja habe ich sie oft kommentiert. Vor kurzem bemerkte ich allerdings etwas im Text, was mir vorher nie aufgefallen ist. Es betrifft das Wesen eines jeden christlichen Retreat-Zentrums. Der Text lautet wie folgt (Luther 1984):
Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen,
höher als alle Berge
und über alle Hügel erhaben,
und alle Heiden werden herzulaufen,
und viele Völker werden hingehen und sagen:
Kommt, lasst uns auf den Berg des HERRN gehen,
zum Hause des Gottes Jakobs,
dass er uns lehre seine Wege
und wir wandeln auf seinen Steigen!
Denn von Zion wird Weisung ausgehen
und des HERRN Wort von Jerusalem.
Und er wird richten unter den Heiden
und zurechtweisen viele Völker.
Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen
und ihre Spieße zu Sicheln machen.
Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben,
und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
Diese Stelle beschreibt, wie sich die Völker der Welt dem einen wahren Gott zuwenden, indem sie zu jenem Ort pilgern, der im Alten Testament die einzig legitime Stätte der Anbetung war. Zwei Dinge wurden mir zum ersten Mal klar.
Erstens, die Völker ergreifen selbst die Initiative. Niemand befiehlt oder lädt ein. Es gibt keine brillante Marketingkampagne, um sie zu überreden oder anzulocken.
Zweitens, es gibt einen klaren Grund für ihre Entscheidung. Sie pilgern nach Zion, weil dort Gottes Gegenwart wohnt (es ist ja sein Berg und sein Haus). Nicht nur das, er tut dort auch etwas. Er lehrt seine Wege und macht seine Weisung greifbar. Das hebräische Wort, das hier für Weisung verwendet wird, ist Thora, das oft mit Gesetz übersetzt wird. Hier geht es aber nicht um die fünf Bücher Mose oder um Gesetz als juridische Idee. Das hebräische Wort hat auch die Bedeutung Unterweisung, und das passt hier besser. In JMEM-Sprache: Hier findet eine weltweite Schule für Jüngerschaft statt, eine wahrhafte Universität der Nationen.
Nebst seinem Unterricht stellt Gott auch sein Wort zur Verfügung: Er redet. Und er betätigt sich als Konfliktmediator und setzt jedem Krieg ein Ende. Das alles führt zu einer radikalen Wende im Verhalten der Völker, wie der letzte Vers belegt.
So sollte ein Retreat-Zentrum sein. Menschen kommen nicht aufgrund von Marketing, sondern weil sie sich danach sehnen, Gott zu begegnen. Sie kommen, weil sie etwas von ihm wollen, und weil sie ahnen, dass er etwas tun wird – nicht, weil wir, die Mitarbeiter im Zentrum, genial und überaus kompetent sind. Und für jeden ist tatsächlich Gottes Wort, seine Führung und seine Weisheit erkennbar.
Somit ist jedes Retreat-Zentrum ein Vorposten oder eine Zweigstelle dessen, was bis jetzt nur im Himmel real existiert: der himmlische Berg Zion. Es ist ein Vorportal, das in diese andere Wirklichkeit hinein führt, wenn Gott seine Gegenwart bemerkbar macht und sich herunter beugt, damit er mit uns reden kann.